Kammerflimmern

Theaterpädagogik
Theater Paderborn
Westfälische Kammerspiele

Kammerflimmern

Kulenkampffs Schuhe

ein Dokumentation von Regina Schilling

im Studio


Das Fernsehen in den 60ern und 70er Jahren der Bundesrepublik – goldene Zeiten, Einschaltquoten von 80 Prozent. Die Familie saß am Samstagabend im Wohnzimmer, die Kinder frisch gebadet im Schlafanzug auf dem Wohnzimmerteppich, dahinter die Eltern, nicht weniger erwartungsvoll, und freute sich auf „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff und die „Peter-Alexander-Show“.


Hans Joachim Kulenkampff und Peter Alexander waren die großen Fernseh-Helden der Familie von Regisseurin Regina Schilling (Jg. 1962). Und natürlich etwas später - Hans Rosenthal und „Dalli Dalli“. Die Quizshows verhießen leichte Unterhaltung, Entspannung, heile Welt. Entspannung hatte Schillings Vater (geb. 1925) dringend nötig. Er arbeitete rund um die Uhr in seiner eigenen Drogerie. Eine Drogerie im Nachkriegs-Deutschland? Besser ging’s nicht: aufräumen, saubermachen, Schädlinge bekämpfen, Wunden heilen.


Was sahen die Väter der Kinder, die da im Schlafanzug vor dem Fernseher saßen, in den Showmastern? Wussten sie, dass Kulenkampff (Jg.1921), sich an der Ostfront vier Zehen eigenhändig amputiert hatte? Fragten sie sich, ob Peter Alexander (Jg. 1926) wohl auch bei der Hitlerjugend gewesen war? Bei der Wehrmacht, in Kriegsgefangenschaft? Wie die meisten jungen Männer dieser Generation? Hatten sie davon gehört, dass Hans Rosenthal (Jg. 1925) jüdisch war und sich in den Kriegsjahren als Vollwaise in einer Berliner Laube versteckte und jeden Moment damit rechnen musste, deportiert zu werden? Die Showmaster gehörten wie Regina Schillings Vater einer sehr besonderen Generation an: nach einer Kindheit im Nationalsozialismus, von Kriegseinsatz oder Verfolgung emotional nachhaltig gezeichnet, wurden sie nach dem Kriegsende bruchlos eingespannt in das Hamsterrad des Wiederaufbaus, der von Traumatisierungen nichts wusste – oder nichts wissen wollte.


Schillings Essayfilm, der vollständig aus Archivmaterial besteht, zeigt Nachkriegsgeschichte auf überraschende, ungewöhnliche und berührende Art und Weise: Anhand von historischen Showausschnitten, Interviews, privatem Super-8-Material, Dokumenten und Fotos eröffnet sich eine neue Sicht auf das Unterhaltungsfernsehen der Bundesrepublik, das angetreten war, die Kriegstraumata einer ganzen Generation zu therapieren. 


Quelle: zero one film, Berlin


In Kooperation mit POLLUX by Cineplex

Auszeichnungen

DafFNE (Die DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FERNSEHEN)

Grimme-Preis 

Deutscher Fernsehpreis 

​Focal Award Best use of footage in an Arts Production für „Kulenkampffs Schuhe“

​3sat-Dokumentarfilmpreis 

Infos zum Film

Termin 16.05.25, 19:30 Uhr

Länge 92 Minuten

Land Deutschland / 2018

Genre Dokumentation

Pressetimmen

„Kulenkampffs Schuhe“ legt eine ganze Generation auf die Couch und ihre Nachkommen gleich mit.
Spiegel Online

Die meisterliche Dokumentation „Kulenkampffs Schuhe“ von Regina Schilling verbindet die seelischen Verletzungen ihres Vaters mit der verdrängerischen Kultur der Nachkriegszeit… „Kulenkampffs Schuhe“ glänzt, wenn der Film unter die Oberfläche der Shows taucht und die Verdrängung der Spaßmacher aufdeckt. Vor allem aber, er richtet nicht. Er beobachtet. Er gehört in eine Reihe mit Ulla Hahns vierbändigem Entwicklungsroman vom rheinischen Mädchen Hilla, das lernt, ihrem gewalttätigen, durch den Krieg beschädigten Proletenvater zu vergeben. Auch zu dem heiteren und melancholischen Staunen eines Richard Ford, der in „Zwischen ihnen“ das Glück und das Elend seiner Eltern zu achten lernt.Glück hat es für den Drogisten-Vater Schilling wenig gegeben, aber die Tochter hat die Würde seiner Weichheit und seiner inneren Einsamkeit gerettet. Großes Fernsehen.
Tagesspiegel

Schilling zeigt mit ihrer atemberaubend montierten Doku, wie Deutschland im Fernsehen die Traumata der Vergangenheit überwand – und zu einem „Wir“ wurde. Entstanden ist ein faszinierender Film über das Fernsehen und eine Nation, die darin ganz zu sich kam.
Süddeutsche Zeitung

Das sind Lektionen des Kinos, Lektionen, die mit Resnais beginnen, und die nun zu einem großartigen Film über einen Zusammenhang geführt haben, über den Deutschland nie hinweggekommen ist: Papas Fernsehen.
Cargo

Tickets & Termine:


16.05.2025